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Alles schon entschieden?
Die Wählerinnen und Wähler haben die Positionen bezogen, unentschlossen ist nur mehr jeder Zehnte, deklarierte Wähler zeigen sich gefestigt. Die Differenz zwischen FPÖ und ÖVP sowie zwischen ÖVP und SPÖ ist statistisch nicht signifikant. Sehr unwahrscheinlich ist allerdings, dass die SPÖ vor der FPÖ zu liegen kommt. Die Blauen haben die besten Karten: Ihre Wählerschaft ist gut mobilisiert, und sieben von zehn FPÖ-Wählern geben ihrer Partei fix die Stimme. Bei den Grünen ist das nur jeder Vierte. Herbert Kickl tritt im Kanzlerduell gegen Karl Nehammer an. Dort spielt Andreas Babler keine Rolle. In der fiktiven Kanzlerfrage liegt er weit zurück, auch die eigene Wählerschaft ist von ihm nicht restlos überzeugt. Dominik Wlazny muss aufpassen, dass er nicht an Fahrt verliert, für die anderen Kleinparteien wird es schwer.
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Drei Wochen vor der Nationalratswahl bleibt die FPÖ voran, die ÖVP festigt Platz 2 vor der SPÖ. Doch entschieden ist das Rennen noch nicht: Viele Wähler schwanken. Und es gibt weitere spannende Tendenzen.
Ein Transparenzhinweis vorweg: Mit Umfragen wird (auch) Politik gemacht, nicht umsonst ermittelt auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Die Ergebnisse der profil-Umfrage sind natürlich nicht käuflich. Das Institut Unique research hat diesmal mit 1200 Befragten eine besonders große Stichprobe gewählt, um zu validen Ergebnissen zu kommen. Die Schwankungsbreite liegt bei maximal 2,8 Prozent. So eindeutig der Trend scheint: Mit 11 Prozent sind viele Wählerinnen und Wähler unentschlossen, noch mehr schwanken zwischen mehreren Parteien. Überraschungen bleiben möglich. Darauf deuten weitere spannende Details in der großen profil-Umfrage hin.
Rennen offener als es auf ersten Blick scheint
Derzeit bleibt die FPÖ stabil voran und hält mit 28 Prozent Zustimmung deutlich Platz 1. Sie legt leicht zu, genauso wie die ÖVP - die auf 24 Prozent kommt und Platz 2 festigt. Die SPÖ gibt leicht nach und kommt nur auf 20 Prozent. Peter Hajek von Unique research sagt dennoch: "Die Unterschiede zwischen FPÖ und ÖVP und zwischen ÖVP und SPÖ sind statistisch nicht signifikant". Grüne und NEOS pendeln sich bei je 9 Prozent ein. Interessant auf den hinteren Rängen: Die Strategie der Bierpartei von Dominik Wlazny, sich rarzumachen und bei TV-Debatten durch Abwesenheit zu glänzen, erweist sich als riskant, sie verliert an Fahrt. Dennoch scheint für sie der Einzug in den Nationalrat realistisch, für die KPÖ und die anderen Kleinparteien wird es hingegen knapp bis schwer möglich.
Die Themen haben sich massiv verschoben
Die FPÖ verwendet Kampfbegriffe wie "Überfremdung" - doch sie liegt konstant voran, wenig scheint ihr etwas anzuhaben. Das liegt auch an der gravierenden Themenverschiebung. Im Vergleich zur Nationalratswahl 2019 scheinen Österreicherinnen und Österreicher heute in einer anderen Welt zu wählen. Damals war Klimaschutz mit Abstand das Top-Thema. Null Thema war hingegen - vor dem Ukraine-Krieg samt explodierender Preise - die Teuerung. Und auch Asyl und Zuwanderung emotionalisierte vergleichsweise wenig, weil die Asylanträge stark gesunken waren.
Zuwanderung und Sicherheit für 56 Prozent die Top-Themen
Heute ist Asyl und Zuwanderung mit Abstand Top-Thema. Rekord bei Asylanträgen 2022, starker Familiennachzug aus Syrien ab 2023 samt Mindestsicherungsdebatten, Messerstechereien und Bandenkriege im Wiener Migranten-Milieu, der vereitelte Anschlag auf ein Taylor-Swift-Konzert in Wien. 43 Prozent der Befragten sagen, die Politik solle sich vorrangig um diesen Themenkomplex kümmern. Für weitere 13 Prozent stehen bei der Wahl - themenverwandt - Sicherheit und Kriminalität im Vordergrund.
"Schönwetterthema" Klimawandel im Tief
Im Vergleich zu einer Umfrage im September 2023 sind Asyl und Zuwanderung den Wählern heute doppelt so wichtig. Nur noch halb so wichtig - aber noch immer auf Platz 2 - ist mit 29 Prozent die Teuerung. Es folgen Gesundheit (22 Prozent) und Klimawandel (19 Prozent). Die Welt ist keine andere, der Klimawandel ist weiterhin spürbare Realität. In der Meinungsforschung gilt er jedoch als "Schönwetterthema", das Konjunktur hat, wenn es keine drängenderen Themen gibt.
Nur 15 Prozent halten derzeit die Wirtschaft für wahlentscheidend ("It's the economy stupid"). Das könnte sich angesichts der düsteren Konjunkturaussichten, der steigenden Arbeitslosenzahlen und der Debatten über "Budgetlöcher" ändern. Wirtschaft nimmt als Wahlkampfthema an Fahrt auf.
Als Regierungspartei bleibt die FPÖ unbeliebt
In der Sonntagsfrage liegt die FPÖ voran - als Regierungspartei überzeugt sie weit weniger Menschen. Eine Koalition aus ÖVP und SPÖ, mit NEOS oder Grünen, liegt in der Zustimmung deutlich vor einer Koalition aus FPÖ und ÖVP. Jede Regierungsbeteiligung der FPÖ stößt auf deutliche Ablehnung. Auch FPÖ-Obmann Herbert Kickl bleibt in der Kanzlerfrage hinter ÖVP-Obmann und Kanzler Karl Nehammer zurück.
Diese Emotion versuchen mehrere zivilgesellschaftliche Initiativen zu verstärken: Unternehmer wie Stephan Zöchling mit #zusammenstärker vor einer Regierungsbeteiligung der FPÖ zu warnen, weil sie der Republik und der Wirtschaft schade. Eine andere Prominenten-Initiative schreibt alle Abgeordneten an und will ein Bekenntnis gegen eine Koalition mit der FPÖ.
Klare Präferenz ja, klare Entscheidung, nein
Wer das Gefühl hat, die Unsicherheit im Wahlverhalten war noch nie so groß, könnte richtigliegen. 11 Prozent der Befragten wissen noch nicht, wen sie wählen. Auffälliger ist die Zahl der Schwankenden. Während 68 Prozent fix sagen, sie wählen FPÖ, beträgt dieser Wert bei ÖVP und SPÖ nur knapp über 50 Prozent. ÖVP-Wähler tendieren am ehesten auch zu den NEOS, gefolgt von SPÖ und FPÖ. Die liebste "zweite Wahl" für SPÖ-Wähler sind mit Abstand die Grünen, gefolgt von NEOS und KPÖ. Bei den Unentschlossenen liegen ÖVP und SPÖ voran.
TV-Duelle und Elefantenrunden können Fußabdruck hinterlassen
Der Grad an Unentschlossenen könnte auch an der Auswahl liegen. Sie ist mit neun Parteien, die bundesweit antreten, groß. Wobei nur die Bier-Partei klare Chancen hat, die 4-Prozent-Hürde zu schaffen. Bei der KPÖ scheint es nach jetzigem Stand sehr unsicher "Keine" (0 Prozent) und die "Liste Petrovic" (1 Prozent) sind weit abgeschlagen.
Bereits 2019 haben 11 Prozent ihre Wahl in den letzten Tagen vor dem Urnengang getroffen, 30 Prozent überhaupt innerhalb der letzten drei Wochen.
Erwähnungen in weiteren Medien
Online
Disclaimer:
Institut/Feldarbeit: Unique Research/ Jaksch & Partner/ Talk Online Panel GmbH
Zielgruppe: Wahlberechtigte ÖsterreicherInnen
Befragungsmethode: Methodenmix telefonische und Online-Befragung
Stichprobengröße: n= 1200
Max. Schwankungsbreite n= 1200: +/- 2,8 %
Deklarierte: n= 995
Max. Schwankungsbreite n= 995: +/- 3,1 %
Untersuchungszeitraum 28. August bis 4. September 2024
Wortlaut: „Angenommen, am nächsten Sonntag wären Nationalratswahlen, welcher Partei würden Sie da Ihre Stimme geben?“ (Parteien mit Spitzenkandidaten rotierend vorgelesen)
Stichprobengrundlage: Öffentliches Telefonverzeichnis, institutseigene Datenbanken, Panel Talk Online Panel GmbH
Stichproben-Methode: vorgeschichtetes Randomverfahren
Gewichtungsverfahren: nach Geschlecht, Alter, Bildung, Bundesland, Geschlecht x Alter, Geschlecht x Bundesland (Quelle: Statistik Austria/BMI)
Quotenplan: nach Geschlecht, Alter, Bildung, Bezirk, Geschlecht x Alter x Bundesland, Bildung x Bundesland (Quelle: Statistik Austria)
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